... Gehört, gesehen, gelesen ...


"Bedeutung [...] ist eine subjektive Konstruktion des Rezipienten" (Zitat aus "Die Zeit"). Dies hatte oder hat für mich Bedeutung genug, um mehr oder weniger kurz besprochen zu werden....

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15)
Was für ein profunder, scheinbar genialer Musiker! - Piotr Anderszewski
Das war schon schwer beeindruckend, was ich da kürzlich zufällig auf Arte (wohl eine Wiederholung)
in Wort und Tat von diesem Künstler polnisch-ungarischer Herkunft vernehmen konnte. Da ist jemand, obgleich seiner noch jungen Jahre als Virtuose auf dem Piano bereits großer Wertschätzung sicher, offenbar ganz weit weg vom so häufig anzutreffenden Egomanentum und scheint sein Handeln und Denken tatsächlich ganz uneitel und bescheiden nur auf den Gegenstand Musik, das jeweilige Werk und dessen Durchdringung richten zu wollen. Dabei schaut dieser auch als ausübender Pianist weit über den Tellerrand der zunfteigenen Werke und Komponisten und kann sich ebenso leidenschaftlich für Opern- und Orchestermusik oder andere ereifern, die gerade seine Aufmerksamkeit beherrscht....
All dies und mehr lässt sich über die auch als DVD/Blu-ray erhältlichen Dokumentation "Unquiet Traveller" nachvollziehen. Mich hat diese jedenfalls so beindruckt, dass ich mir sofort seine "Live at Carnegie Hall" Do-CD besorgt habe, die zwar bis auf wenige vernehmbare Huster-Beigaben ihren Livecharakter durch die Abmischung weitgehend eingebüßt hat, die ich hier aber wegen des Inhalts trotzdem ebenso empfehlen möchte (besonders klasse bei Schumann, bei Beethoven und interessante Janacek-Kompositionen...).

Unter die Rubrik "Die Besondere" fällt für mich auch seine Aufnahme von Mozarts 20. Klavierkonzert. So stimmig habe ich dieses Werk noch nie gehört (wenn auch der Piano-Part eine Idee zu sehr in den Vordergrund gemischt wurde). Eine von den seltenen Aufnahmen, die jedenfalls ich mir gerne noch sehr oft anhören möchte....

14)
"Klassische" Gitarrenmusik auf höchstem Niveau
Zugegeben: Ich höre nicht (auch nicht aus beruflichen Gründen) in jeder freien Minute klassische Gitarrenmusik, um mich auf dem Laufenden zu halten. Ich halte mich diesbezüglich im Gegenteil eher bewusst zurück und offen für musikalische Eindrücke aller Art.... Und selbst wenn ich das täte, so würde das wohl nicht reichen, um bei der Menge an stetig auf den Markt drängenden Neuerscheinungen und frei zugänglichen Youtube-Mitschnitten und Raubkopien allein aus diesem Segment an Gitarrenveröffentlichungen noch hinterher zu kommen. "Selektive Wahrnehmung" ist hier deshalb nicht negativ besetzt, sondern eher zweckvoll.
Zwei mir zu Ohren gekommene, überaus empfehlenswerte Veröffentlichungen aus der letzten Zeit seien hier kurz vorgestellt:
Da ist zunächst eine CD mit Tilmann Hoppstock zu nennen ("Great studies for guitar", Christopherus, 2010), die mit den impressionistisch geprägten Original-Kompositionen von Allan Wilcocks schon sensationell zu nennende Wiederentdeckungen enthält, daneben auch extrem virtuos gespielte Paganini-Bearbeitungen, die Etüden-Klassiker von Villa-Lobos und selten eingespielte, aber im Unterricht wohl immer noch häufig verwendete Etüden des 'echten' Klassikers Carcassi, die hier zum Teil interpretatorisch in neuem Licht erscheinen und alles andere als "abgenudelt" daherkommen....
An dieser Stelle sei auch auf eine CD-Veröffentlichung von einem der jüngeren Vertreter der europäischen Gitarren-Elite hingewiesen, die das sich immer weiter emporschraubende Niveau in der Spitze eindrucksvoll unter Beweis stellt. Und auch hier tauchen in der Liste der eingespielten Kompositionen nur Namen der ersten Garde an Komponisten auf, die auch für Gitarre (Laute) komponiert haben und wirklich für diese so imperfekten und doch so reizvollen Instrumente komponieren konnten...("Guitar recital", Gabriel Bianco, Naxos-Gitarrenreihe, Werke von Bach, Mertz, Koshkin).


13)
Das hat ge"rockt" - zweimal Barockmusik pur
Ich hatte ihre CD »Colori d'amore« seit längerem auf meiner Wunschliste vermerkt. Nun ergab sich die Gelegenheit, sie zunächst live zu hören. Simone Kermes, die Leipziger "Crazy Queen of Baroque" (erschien in barockähnlichem Outfit plus roter "Löwenmähne" und "tänzelte" sich durchs Programm) lud kürzlich (März 2011) in die Bremer "Glocke" zum Konzert, das sie zusammen mit "Le Musiche Nove" gestaltete. Im Programm standen affektvolle und zudem teils extrem virtuose Arien der italienischen Barockoper (darunter auch einige erst in letzter Zeit wiederentdeckte Kompositionen). Eingerahmt wurden diese Gesangswerke von Instrumentaldarbietungen auf Originalinstrumenten und vor allem auf allerhöchstem Niveau (lediglich die kurzen Eingangsstücke von Hasse lagen leider noch stimmtechnisch leicht daneben). Danach jedoch wurde auf der Bühne ein wahres Konzert-Feuerwerk abgebrannt. Instrumentales Highlight des Abends war dabei für mich ein Violinkonzert in B von Pergolesi (was hätte der noch für tolle Sachen komponieren können, wäre er nicht so früh verstorben...). Überhaupt hatte der Konzertmeister an der 1. Violine seine ca. zwölfköpfige Schar von Mitmusikern (inklusive Lauten- und Barockgitarren-Continuo!) perfekt im Griff und der eigentliche musikalische Supervisor (Claudio Osele) erschien auch erst zum Schlussapplaus auf der Bühne. Gesangstechnischer Höhepunkt dürfte nicht nur für mich eine Arie von Riccardo Broschi gewesen sein (der, der auch in dem Film "Farinelli" über den berühmtesten aller Kastraten-Sänger einerseits als Bruder und andererseits als Komponist im Vergleich zu Händel eher schlecht weg kommt...). Hierbei bewies sich eindrücklich, welche emotionalen Ausbrüche das "Instrument Stimme" hervorzurufen fähig ist und war und warum Kastraten damals so hoch in der Gunst standen.... Absoluter Höhepunkt überhaupt war für mich deshalb auch der Moment des "Kicks", den ein einzelner unerwarteter hoher Ton im Piano der Kermes bei mir auszulösen vermochte und den man in glücklichen Momenten bei Musikvorträgen haben kann, unabhängig vom Genre. (Nebenbei sei erwähnt, dass die Callas mir nach Jahren des Gefühls von relativem Abgestumpftsein gegenüber musikalischen Reizen mehrfach solche Momente reinsten Glücksgefühls wieder schenken konnte, wofür ich sie vergöttere...).

Am Ende bebte die proppevolle Konzerthalle in Bremen regelrecht aufgrund der ausgelassenen Ovationen der Zuhörer von eigentlich zumeist eher "gesetzterem" Alter , was von den Akteuren noch mit mehreren Zugaben gedankt wurde....

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Ein weiteres Highlight mit heute wenig bekannter Barockmusik findet der geneigte Hörer mit der DVD-Veröffentlichung von "Accentus Music", welche fünf geistliche Kantaten-Werke vom Bach-Sohn Wilhelm Friedemann in einem Live-Mitschnitt vereint. Der Mainzer Bachchor, vier ausgezeichnete Gesangsolisten und ein ebenso vorzüglich spielendes Alte Musik-Ensemble (das hat wirklich nichts mehr mit dem Weihnachtsbarockgedudel im verhallten Breitwandstreicher-Sound à la Karajan zu tun) unter der Leitung von Ralf Otto sorgen für ein barockes Klangerlebnis anderer Art, deutscher, strenger, mit erstklassiger, zum Teil einfach wunderschöner Musik (besonders eindrücklich dabei einige der meist kurzen Chöre), die es viel länger schon verdient gehabt hätte, wieder ausgegraben zu werden. ("Cantatas", 2010)


12)
"Gesamtkunstwerk" einmal anders... - Theater-Highlight in Osnabrück
Ich mache es kurz: Das sowieso attraktive Fauré-"Requiem" (für Solisten, Chor und Orchester), gepaart mit sich attacca anschließender, effektvoller Gegenwartsmusik und alles noch kombiniert mit erstklassigem Tanztheater ergaben mit die überzeugendsten zwei Stunden Musiktheater, die ich bisher in Osnabrück mitverfolgenen durfte ("Turandot" z.B. habe ich als ähnlich gelungene Produktion noch in guter Erinnerung...). - Die ganz in weiß gehaltene Skulpturen- und Tanzszenenwelt muss man nicht unbedingt im Detail verstehen; sehen, hören und einfach genießen reicht schon. Zunächst werden die Zuschauer für eine halbe Stunde auf die Bühne gebeten, um per Handzettel "geführt" u. a. lebende Skulpturen und Installationen aus der Nähe betrachten zu können, die dann später auch im Bühnengeschehen eine Rolle spielen. Nach einer halbstündigen Umbau-Pause beginnt das eigentliche "Requiem"mit der Tanzperformance. - Bis zum Sommer 2011 gibt es noch einige Aufführungen und wenige Restkarten....

11)
Über bemerkenswerte Erklärungen und Verklärungen am 20.02.11 in Hagen a. T.W.
Zugegeben: Es kann einen Musikvortrag grundsätzlich aufwerten, wenn begleitend oder vorausgehend Informationen über Zeit und Umfeld, über Grund und Besonderheit der Musikentstehung und vieles Mögliche mehr gegeben werden. Andererseits sollte sich auch qualitativ herausragende (Kunst-)Musik ohne große Erklärungen und Deutungen erschließen und einen Effekt (hinter-)lassen, wenn sie denn als angebliche Universalsprache auch Ansprechendes in- und mit sich trägt. Es verschafft aber durchaus einen "Mehrwert", wenn ein Werk, wie hier geschehen, vor einem biographischen Hintergrund beleuchtet und somit für den Hörer noch einmal in seinem Entstehungsprozess und -umfeld deutlich wird, dabei also nicht nur als "absolute" Musik daherkommt, die heute für diese und morgen für jene Gelegenheit und Stimmung herhalten muss. -

Für gewöhnlich finden die "musikalisch-literarischen Konzerterlebnisse" der "Concerts Remarquables" ja an Dienstag Abenden gegen 19:23!!! Uhr (Exklusivität kennt eben auch eine Uhrzeit) im Hotel Remarque in Osnabrück statt. Wegen der unsäglichen Tendenz, dass Schulunterricht sich immer mehr in den Nachmittag, Musikschulunterricht sich dafür immer öfter bis in den späten Abend hineinzieht, war es mir seit Jahren aus beruflichen Gründen leider nicht vergönnt, einmal den hörspielähnlich arrangierten Ausführungen des mir aus meinem Studium noch wohlbekannten Professors für Musikwissenschaft und seiner Frau (diesmal war wohl sogar auch der Schwiegervater (?) dabei) zu selbstgewählten Themen- und Problemen der abendländischen Musikgeschichte beizuwohnen. Die kolumnenartigen Zeitungsartikel von "HCS" nehme ich ja sonst nach Möglichkeit immer gern zur Kenntnis, wenn auch manchmal eher kopfschüttelnd oder schmunzelnd, wegen der auffällig selbstverliebten Formulierungen.... Diesmal klappte es also endlich und die ehemalige Kirche in Hagen erwies sich als ein dankbarer Aufführungsort für Hörer und Ausführende, wenn dabei auch nicht alle sprechend Vortragenden gleichmäßig ins rechte (Hör-)Bild gesetzt werden konnten, weil die mitgenutzte kircheneigene Übertragungsanlage nunmal schlicht nur als "grottig" zu bezeichnen ist....

"Alle 5000 Jahre glückt es!", diese kryptische Formulierung Richard Wagners, geaüßert gegenüber seiner zweiten Frau Cosima kurz vor seinem Tode, diente diesmal als thematischer Aufhänger für ein ca. 90 minütiges Programm, das sich inhaltlich vornehmlich dem Auf und Ab des Verhältnisses von Cosima und Richard zueinander widmete. Musikalisch dienten das "Starnberger Quartett" und insbesondere das "Sigfried-Idyll" als Rahmen des Vortrags in "Kapiteln", am Ende der Veranstaltung wurde das "Idyll" dann noch einmal im Zusammenhang vom sich engagiert einbringenden Ad-hoc-Kammerorchester vorgetragen. Zwischendurch gab es Darbietungen von Werken anderer musikalischer Größen (Mendelssohn, Beethoven, Brahms, Bach), die jeweils als klingende Beispiele für persönliche Ab- oder Zuneigungen Wagners dienten. So wurde neben dieser sich schon selbst durch Wort (Cosimas hoch-romantisierenden Tagebucheintragungen) und Tat (das "Siegfried-Idyll" als Geburtstagsgeschenk und Liebesgabe des gar nicht immer so treuen Gatten) verklärenden "Liebesgeschichte" inhaltlich auch noch ein wenig Musiksgeschichte des wer von wem, mit wem und gegen wen geboten. - Am Rande sei erwähnt, dass ich Wagner zustimmen würde, der ja bekanntlich wenig gute Worte für Brahms fand, hätte ich denn nie mehr gehört als diesen dröge dahinwabernden Quartettsatz, der im Laufe des "Concerto Recitativo" geboten wurde....

Wie so häufig im Zusammenhang mit Wagner schwang auch bei diesem Vortrag in Hagen manch Überhöhendes und Verklärendes mit, wobei der Part der nüchtern kommentierenden Erklärung hier und da wenigstens für Ausgleich sorgen konnte, und es gab da ja auch noch die pure, populäre, mit ihren vielen Wiederholungen und Steigerungen irgendwie hypnotisierend-rauschhafte Musik (mit kurzen Kinderliedeinschüben als Wachmacher) von Wagner zu hören, die am Ende ganz für sich selber sprechen durfte, sich dabei allerdings etwa 10 Minuten länger hinzog als die Version mit Roger Norrington, die ich mir gleich anschließend zu Hause zu Gemüte geführt habe....

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10)
"Salut Salon" - Chapeau!
Das war (am 04.02.11 in Osnabrück) genau das Richtige als mutmachender Ausklang und Belohnung für einen langen, stressigen Unterrichts-Tag mit sehr wechselhaften musikalischen Erfahrungen.... - Dass Musik, auf technisch höchstem Niveau dargeboten, auch in erster Linie Unterhaltung sein darf und kann, geht den naserümpfenden Puristen des Klassikbetriebes ja meist ab. Ein (trotz Ersatz-Pianistin) sehr homogen wirkendes Ensemble aus vier feschen Damen (Violine, Viola, Cello und Klavier und allerlei weitere Instrumente plus Gesangs- und Sprechdarbietungen, Clownerien, Puppenspielereien, kombiniert mit varietéhaften musikalischen Stunts, Einbeziehung des Publikums...) bedient diese Lücke des Konzertbetriebs, zieht dabei wie angedeutet alle Register einer ausgefeilten Bühnenperformance und bietet einfach bestmögliche musikalische Kurzweil mit seinen von Klassik bis Folklore reichenden, effektvollen Arrangements von allerlei "Highlights" sowie den nachdenklich bis heiter stimmenden, selbstkomponierten Chansons. - Salut! Bis zum nächsten Mal...
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9)
Klaviermusik von Jubilaren
Ich hatte gerade im Urlaub (Oktober 2010) noch das zufällige zusätzliche Vergnügen, ein Klavierkonzert anzuhören. Und das konnte sich wahrlich hören lassen, was Franco Trabucco, kürzlich emiritierter Klavierprofessor der "Musikhochschule Paganini" in Genua, im Oratorium einer kleinen Kirche in Ligurien auf einem wohlintonierten Yamaha-Flügel zum besten gab (bei "Youtube" kann man ihn übrigens mit Liszt hören...). Das Programm war dabei ganz zwei Jubilaren gewidmet, die beide vor 200 Jahren geboren wurden: Von Schumann gab es zum Einstieg die drei Klavier-Romanzen zu hören, gefolgt von der 2. Klaviersonate; die zweite Hälfte des Programms wurde gefüllt von den vier Scherzi von Chopin und zum Abschluss gab es noch einen echten Ohrwurm als Zugabe mit auf den Weg (eine "Barcarole" von Tschaikowsky). Meine Favoriten des Konzerts bilden die schlicht-schöne 2. Romanze, die 3. und insbesondere die Eck-Sätze der Sonate von Schumann sowie die ersten drei der Chopin-Scherzi, wobei mir das bisher unbekannte dritte Scherzo sofort zugänglich war (das mir vorher ebenso unbekannte vierte in E-Dur wirkt bis auf den Chopin typischen Mittelteil dagegen uninspiriert, was erst recht besonders auffällig ist, wenn man es als eigentlich erwarteten Höhepunkt des Zyklus hört).
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8)
Donizetti, Gaetano: "La fille du regiment", DVD-Mitschnitt, EMI, 2007
Die Musik gehört nach meiner Erfahrung zwar nicht unbedingt zum Besten, was die Operngeschichte zu bieten hat, obwohl sie durchaus gefällig und mit einigen Höhepunkten daherkommt, und auch die boulevardesque Handlung ist nicht gerade dazu angetan, einen besonders nachdenklich zu stimmen.... - Nein, hier ist es ganz und gar die fulminante Umsetzung dieser Opern-Komödie, die mir eine schnelle Empfehlung wert ist. So (im "Royal Opera House") in Szene gesetzt macht Oper einfach nur Spaß, und das war wohl auch die Hauptabsicht des Komponisten mit diesem Werk. Kurz: Regie, Bild, Klang, Akteure (Natalie Dessay u. a.), - alles nur vom Feinsten und die Oper wurde hier im wahrsten Sinne "kongenial" umgesetzt. Als besonderes Bonbon gibt es zudem ein livehaftiges (und langes) hohes C!!! von Juan Diego Florez zu bewundern, was das Live-Pubklikum denn auch mit einem Beifallssturm quittierte....
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7)
Beethoven x 3
Der mir wegen seines angedichteten "Titan"en-Status bereits von der Schulzeit an suspekte Komponist hat - jedenfalls mich persönlich - auch im späteren Leben nur eher selten unmittelbar "ansprechen" können. Es reizt mich andererseits von Zeit zu Zeit, mir bisher Unbekanntes seines Werkes anzuhören und mich vom Beethoven-Hype, jedenfalls musikalisch, einnehmen zu lassen. So möchte ich hier schnell berichten, dass mir kürzlich gleich zwei Highlights untergekommen sind, die ich hiermit zur eigenen Anschauung weiterempfehlen möchte. Da wären zunächst die "späten Streichquartette" zu nennen, die meine Meinung weiter stützen, dass der Klavier-Heroe Beethoven einen Großteil seiner gelungensten Werke gerade im Gegenteil für Streicher komponiert hat. Zuweilen richtig "abgedreht" (etwa die schräge "Große Fuge", bei deren Komposition wohl einige Gläser Wein zu viel konsumiert wurden, und: "Die Platte hat 'nen Sprung, die Platte hat 'nen Sprung...") sowie teils sehr eigenwillig-extrovertiert ist das, was der Komponist da am Lebensende für Quartett-Besetzung geschaffen hat. Der wunderbare langsame Satz des abschließenden 16. Quartetts etwa klingt einerseits bereits wie ein auskomponierter Abgesang - obwohl größtenteils in Dur gehalten! (der kurze Moll-Einschub wirkt dafür umso eindrnglicher) - , der Schlusssatz ist dann aber doch wieder nach vorn gerichtet und scheint seiner Zeit rhythmisch-harmonisch noch mal eben weit vorauseilen zu wollen. So könnte man in diesem Beispiel von den Vorgängern Haydn und Mozart über Schubert und Dvorak oder Tschaikowsky bis Piazzolla (womöglich sogar Bartok) alles erdenkliche in momenthaften Ausschnitten heraushören, wüsste man es nicht besser und kennte das Ganze. Dies gilt so ähnlich auch für den langsamen Satz des 15. Quartetts, der wie ein kammermusikalisches Wagner-"Idyll" mit plötzlichen Barockeinschüben kontrastiert daherkommt, die wiederum von Teilen abgelöst werden, die bisweilen regelrecht (oder eben gerade nicht regelgerecht! oder war es mal wieder der Wein?...) bitonale(!?) Abschnitte enthalten. Das ist schon sehr eigen(-artig). Der Schlusssatz des 15. kommt in jeder Beziehung anspruchsvoll daher und sei hiermit zum Hören ebenso besonders empfohlen.... -
Ich persönlich höre insbesondere gerne die Nr.14 in Cis-moll an, gespielt vom "Vermeer Quartett" (es mag wohl bessere Quartett-Künstler geben, aber diese Aufnahme entspricht der in diesem Falle einmal durchgängig vorzüglichen Musik). Die Anzahl der Sätze, hier sind es derer gleich sieben, ist aber nicht zwingend entwickelt und erscheint doch eher willkürlich. Im Eingangs-Fugensatz klingt es sehr nach Zitaten aus zwei meiner Lieblingsfugen von Bach, der G-moll-Orgelfuge und der G-moll-Violin/Lauten-Fuge.... - Zum Sicheinhören empfehle ich insbesondere auch das 13. Quartett mit seinen ebenso gelungenen und eher noch gefälligeren Sätzen (nur der längere erste ist hier leider ein wenig von der Sorte: "Wo soll ich mich [denn nun noch] hinwenden...?" - aus Sicht des Komponisten bzw. "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten..." - aus Sicht des Hörers. Ideen werden haltlos hintereinandergereiht und gegen Ende wird kaum eine Phrase überhaupt noch zum eigentlich erwarteten Ende auskomponiert...).

Daneben bin ich bei NDR-Kultur noch zufällig auf die Interpretation einer Klaviersonate gestoßen, die mich sofort gefesselt hat. Der Pianist war der mir bisher gänzlich unbekannte Michael Kostick, das Stück die an sich eher unspektakuläre Sonate in B-Dur, op.22. Doch: Wow!!!, wenn man Beethoven so spielen kann, dann wird schnell verständlich, warum Kostick anscheinend vorhat, den ganzen Sonaten-Zyklus einzuspielen. Das klingt nach echter Überzeugungsarbeit und nicht nach einem weiteren Selbstdarsteller am Klavier, der auch noch seinen Beethoven im Programm hat....

Der Film "Der Klang der Stille" aus 2007, der die letzte Lebensphase Beethovens biographisch unter Beigabe von frei erfundenen Zutaten aufarbeitet, ist m. E. jedoch (vielleicht bis auf den Hauptdarsteller) wieder eher nicht von der Güte, die den Hype darum rechtfertigen könnte....


bisher:


6)
"Garden State", Spielfilm, USA, 2005
Und noch ein "kleiner aber feiner Film mit viel Herz" (ein Amazon-Rezensent), den ich hier unter der Rubrik Musikfilme aufführe, obwohl er doch eigentlich (nicht mal am Rande) von musikalischen Themen handelt, wie etwa "Once", "Walk the line" o. ä.. Und doch macht gerade die dem Film unterlegte (Pop-) Musik (auf DVD in 5.1) ihn noch sehenswerter und der "Soundtrack" hierzu ging denn wohl auch "weg wie warme Semmeln". - "Softe Typen, starke Bilder, verrückter Witz und ein Hauch von Genialität" (TV-Spielfim) tun ein Übriges....
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5)
Verdi, Giuseppe: "Falstaff", erschienen bei "Opus Arte" als Blu-ray oder DVD. In seinem letzten großen Opus als Opernkomponist bot Verdi in hohem Alter zu Anfang der 1890er Jahre noch einmal all sein außergewöhnliches Können in diesem Metier auf und es gelang ihm dabei erneut, musikalische Glanzpunkte zu setzen (insbesondere in der Instrumentierung und mit den Ensemble-Partien, die hier auffallend präzise und gut verständlich dargeboten werden, wie etwa auch das berühmte Fugato-Finale). Schließlich vermochte er es sogar noch, mit diesem (nur noch Gelegenheits-) Werk einen neuen Trend zur Renaissance der musikalischen Komödie um den Jahrhundertwechsel herum einzuleiten.... - Ich habe "Falstaff" mehrfach gesehen; zuerst live und noch in weiteren, älteren DVD-Mitschnitten. Diese neue Blu-ray-Einspielung, ein Mitschnitt des Glyndebourne-Festivals 2009, betont den komödiantischen Aspekt der Oper und bietet dafür einen erstklassig geeigneten Hauptdarsteller auf (nicht umsonst heißt es ja am Ende im Libretto: "Tutto nel mondo è burla"). Aber auch sonst wird allerbeste Unterhaltung auf höchstem Niveau in Bild und Ton geboten, deshalb meine Empfehlung für alle "Einsteiger" in dieses Werk. - (Als kleiner Kritikpunkt soll nicht unerwähnt bleiben, dass die deutsche Übersetzung in Form der Untertitel manchmal merkwürdig 'gestelzt' und zuweilen auch mit Rechtschreibfehlern daherkommt!?)
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4)
Rau, Fritz: "50 Jahre Backstage", ( Palmyra Verlag ). Und gleich noch ein Buch, das ich - schließlich enthält es eine persönliche Widmung des Autors und wurde mir von meinem Kumpel Jens zum Geburtstag geschenkt - nun endlich auch brav zu Ende gelesen habe, das sich allerdings auch sehr gut in Abschnitten lesen lässt. Diese "Erinnerungen eines Konzertveranstalters" bringen nun allerdings keine Enthüllungsstorys aus dem Backstage-Bereich, wie man vielleicht durch den Titel zunächst erwarten könnte. Für Musikfans und Musiker allgemein sind sie trotzdem äußerst interessant, denn sie erhellen die deutsche Nachkriegsgeschichte um viele Aspekte und Entwicklungen des öffentlichen Konzertbetriebs und liefern darüber hinaus etliche Details rund um die Verpflichtungen von und schildern seine persönlichen Erfahrungen mit "angesagten" Künstler aus den Bereichen Jazz, Rock und Pop, zu denen Rau in diesen 50 Jahren teils sehr enge, freundschaftliche Beziehungen aufbauten konnte und bis heute unterhält. Er berichtet dabei mit viel Einfühlungsvermögen und Respekt vor "seinen Stars" und ebenso von Veranstalter-Kollegen. Daneben gibt es Kapitel, in denen er durchaus nachvollziehbar und kompetent über z. B. einen Neubegriff von "E" und "U" philosophiert. - Trotz seines überall spürbaren und durchdringenden 'Engagiertseins' ist sein Schreibstil doch insgesamt etwas "dröge", aber die gewinnbringenden Fakten und Einschätzungen gleichen das aus....
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3)
Strunk, Heinz: "Fleisch ist mein Gemüse" (eine "Landjugend mit Musik"). (RoRoRo Taschenbuch). "Es tut einem ja jeder [ich würde ergänzen: 'Mucker'] leid, der das Buch von Heinz Strunk nicht gelesen hat." (Zitat von Sven Regener auf dem Klappentext zum Buch). - Nun habe auch ich es endlich geschafft, den mittlerweile ja längst auch verfilmten Report über Erfahrungen aus einem guten Dutzend Jahre als Mitglied in Tanzbands und als Musikschullehrer im Hamburger Umland zu lesen. Dabei musste ich des öfteren vor Lachen laut losbrüllen, denn es handelt sich hierbei um z. T. wirklich hinreißend komisch beschriebene Erfahrungen aus dem Tanzmusiker-Milieu, die sich jedoch immer wieder mit intimeren biografischen Beschreibungen des Autors mischen, die zarte Gemüter auch schon mal vor Ekel erschauern lassen könnten. - Insgesamt jedenfalls kurzweilig, dabei eher tragisch-komisch und mit viel weniger Plattitüden auskommend als ich befürchtet hatte. Die Verfilmung muss ich allerdings jetzt nicht noch sehen und: da gab es doch auch schon die "Populärmusik aus Vittula"....
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2)
Berg, Alban: "Lulu" (Wiener Philh., Patricia Petibon, Franz Grundheber u. a.), eine Aufführung der Salzburger Festspiele 2010, gesendet auf 3Sat, eine Produktion von Unitel u. a. . Die zweite und letzte Oper Bergs wurde hier fesselnd inszeniert. Die - auch im Umgang mit der Vorlage - recht "freizügige" Regiearbeit von Vera Nemirova hat mich überzeugt und auch die großformatigen Bühnen-Bilder von Daniel Richter wirkten in der dreiaktigen, von Friedrich Cerha vervollständigten Pariser Fassung (Berg hatte sein Werk nicht mehr selbst vollenden können). In diesem surrealen Ambiente waren auch noch die Nebenrollen so gut besetzt, dass trotz der immerhin über dreistündigen Übertragung mit "schön scheußlicher" bis - insbesondere im letzten Akt - schaurig schöner Musik mindestens bei mir keinerlei Langeweile aufkam. Schließlich wurde auch noch das Saalpublikum in die 'menschelnde' "Sex & ... & Crime"-Handlung miteinbezogen....

Siehe auch meine ausführlicheren Anmerkungen zu seiner Oper "Wozzeck"unter "Nur vom Besten", "Oper"! Letzteres Werk dürfte eine Annäherung an den Komponisten für Unvorbereitete wohl doch leichter ermöglichen....

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1) "Once"
Aus dem Jahr 2007 stammt dieser irische Kinofilm, der gerade bei 3Sat als Erstaufführung im TV gezeigt wurde. Obwohl mit einem "Oscar" für den besten Song prämiert, hatte ich jedenfalls bisher nichts von diesem wunderbar unaufgeregten, auf einer simplen Liebesgeschichte gründenden Film gehört oder gesehen. Aber wie durch viele andere Meinungen bereits dokumentiert, hat auch mich (uns) dieser Film direkt emotional angerührt, was nicht zuletzt an den wirklich sehr guten und sehr intensiv vorgetragenen Songs und den erfrischend natürlich agierenden No-Name-Akteuren liegt. Ich bin auch angenehm überrascht, dass ein Film dieser leisen Art heutzutage noch gedreht wird und dass es außer mir scheinbar noch viele gibt, die das zu schätzen wissen...."
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